ESSO-Tanke, ESSO-Häuser – es war einmal …

Wer hätte das damals vorhergesehen. Am Abend des 14. Dezember 2013 kehrte ich mal wieder ein in die Hausbar (das Foyer des wunderbaren Schmidt Theaters), um den Feierabend nach einer Kiez-Tour zu genießen. Unaufgefordert stellt mir der Bar-Chef ne Astra-Knolle hin. Weniger Minuten später kommt er wieder zu mir und sagt: „Du weißt doch immer alles. Was ist denn bei den ESSO-Häusern los?“

Zur Erläuterung: Die ESSO-Häuser bestanden aus (damals) „modernen“ Plattenbauten mit 110 Wohnungen. Den Namen trugen sie aufgrund der direkt angeschlossenen ESSO-Tankstelle mit Zugang und Zufahrt von der Taubenstraße. Die Häuser selbst standen quer zum Spielbudenplatz mit Zugängen auf Vorder- und Rückseite (zur Kastanienallee). Das flache Quergebäude zum Spielbudenplatz beherbergte u.a. den Westernstore Hundertmark, das Molotow, Planet-Pauli, Gastro mit Billardsalon.), das Herz von St. Pauli u.w.

Ich verließ die Hausbar in Richtung der Gebäude. Ein einfaches Unterfangen, denn Blaulicht und großer Tumult wiesen mir den Weg. Unter Polizeischutz wurden die Gebäude mitten in der Nacht geräumt; die Anwohner in Busse gesetzt, deren Ziel angeblich zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest stand. Bis heute hält sich das Gerücht, die Band MADSEN habe im Molotow Musikclub gespielt, woraufhin in den ESSO-Häsern Wände und Lampen gewackelt haben. An dieser Version zweifle ich bis heute … Vorangegangen waren unterschiedliche Gutachten, nach denen die ESSO-Häuser abgerissen werden müssten – oder eben auch nicht.

Vertrauenserweckend waren die Gebäude nicht wirklich, aber der Umgang mit Mietern und dem Grundstück (und somit mit St. Pauli) war weitgehend unterirdisch. Alle Balkone waren mit Vierkanthölzern abgestützt; Aufkleber an den Türen zu den Balkonen: „Betreten verboten – Lebensgefahr!“ War hier nicht längst Handlungsbedarf?

Ende Januar 2014 wurde die Abrissgenehmigung erteilt; der Abriss erfolgte in Etappen im Laufe des Jahres. Seither ist die Fläche Brachland. Die Bayerische Hausbau wollte bauen, es gab Architekturausschreibungen, deren Ergebnisse im Ballsaal des FC St. Pauli ausgestellt waren. Bis heute (Stand Dez. 2024): Brachland. 10 Jahre Stillstand, obwohl den Mietern damals zugesagt wurde, sie könnten zur identischen Miete in den Neubau ziehen. Das war vor 10 (!) Jahren!

Doch nun, Ende 2024, kommt vermeintlich wieder Bewegung in das Projekt „Paloma-Viertel“, wie das ca. 6.200 qm-Areal zukünftig heißen soll. Die städtische SAGA-Unternehmensgruppe und das Immobilienunternehmen Quantum haben sich zusammen geschlossen – und wenn alles gut geht, laufen 2025 alle Genehmigungsverfahren und ab 2026 wird gebaut.

Was vielen bitter aufstößt: Das einstmals hochgelobte Beteiligungsverfahren (PLANBUDE) wurde von den Ergebnissen überrascht und hat hingeschmissen, das Hotel des Neubaus wird deutlich größer als ursprünglich geplant. Sind wir nun vorrangig froh, dass endlich etwas passiert? Oder verliert St. Pauli (ebenso wie an der Ecke Reeperbahn/Hein-Hoyer-Straße) sein Gesicht? Auch dort entsteht ein Hotel.

Wir sollten aufpassen. Denn irgendwann kommen noch immer zahlreiche Gäste nach St. Pauli, aber niemand weiß mehr, warum.

Palomaviertel

Visualisierung Vogelperspektive_copyright SKAI_241113

Für weitere Informationen empfehlen wir folgende Links (Stand: Dez 2024)

Die ganze Geschichte bei Wikipedia – wiki/Esso-Häuser

NDR-Bericht inkl. Bildern von damals und heute sowie der Argumente – NDR

Vom Ausstieg der Planbude – NDR

Buy-buy-St. Pauli. Wut und Widerstand (nicht nur) im 90-min-Film

Wieder alles anders, sagt die ZEIT